Ergebnisse & Perspektiven des Marxismus

1948: Trotzkisten zum Krieg in Palästina

26. Juli 2024 – Israels Krieg gegen den Gaza-Streifen hat seit Oktober 2023 mindestens 39000 Palästinenser getötet und Hunderttausende wieder und wieder zur Flucht gezwungen.1 Schon bei seiner Entstehung 1948 wurde der kapitalistische Staat Israel auf der Grundlage der Vertreibung Hunderttausender Palästinenser von ihrem Land aufgebaut. In ihrer grundlegenden Analyse der Entstehung des Zionismus und der Ereignisse, die zur Gründung Israels und dem Krieg 1948 führten – „Die Geburt des zionistischen Staates – Eine marxistische Analyse“2 –, fasste die Spartacist League in den USA 1974 zusammen:

„1948 erkannte die Revolutionary Communist League, die palästinensische Sektion der trotzkistischen Vierten Internationale, zwar das Recht der Juden auf Selbstbestimmung an, war aber ein entschiedener Gegner der Aufteilung Palästinas und nahm im arabisch-zionistischen Krieg eine revolutionär-defätistische Position ein. ‚Diesem Krieg kann von beiden Seiten kein progressiver Charakter zugesprochen werden… Er schwächt das Proletariat und stärkt den Imperialismus in beiden Lagern. Der einzige Weg zum Frieden zwischen beiden Völkern dieses Landes ist, die Gewehre umzudrehen gegen die Anstifter zum Mord in beiden Lagern‘ (‚Against the Stream‘, nach Fourth International, Mai 1948, Hervorhebung im Original). Es ist klar, dass eine Neuuntersuchung der historischen Tatsachen die damalige Position der Trotzkisten bestätigt: Das Überleben der hebräischen Nation stand nicht in Frage. Es gab keine effektiven Kräfte, die für die Rechte der palästinensisch-arabischen Nation kämpften; keine der arabischen Streitkräfte kämpfte für die nationalen Rechte der Palästinenser oder gegen den Imperialismus, sondern gegen die Zionisten und gegeneinander, um die palästinensische arabische Nation unter sich aufzuteilen und/oder um von sozialen Kämpfen in ihren eigenen Ländern abzulenken.

Obwohl die imperialistischen Mächte sicherlich ein Interesse an dem Ausgang hatten und intervenierten, um den Ausgang des Krieges zu beeinflussen, kann der Kampf auf keiner Seite als antiimperialistisch betrachtet werden. Die Israelis wurden von den USA und von der UdSSR unterstützt (diplomatisch und zumindest indirekt militärisch), während Ägypter, Iraker und Jordanier allesamt militärische Hilfe von Britannien erhielten. (Allerdings verfolgten nicht nur die Israelis, sondern auch jedes beteiligte arabische Land eifrig seine eigenen nationalen Ziele, so dass es gleichfalls unmöglich ist, den Krieg auf einen einfachen Konflikt zwischen den Großmächten zu reduzieren.)

Marxisten konnten im Palästinakrieg 1948 keiner Seite militärische Unterstützung geben. Unsere Position des proletarischen Internationalismus erfordert, dass dieser Krieg aus der Notwendigkeit des revolutionären Defätismus auf beiden Seiten betrachtet wird. Wir stellen dem Sieg jeder Seite die Perspektive des vereinigten proletarischen Kampfes entgegen, die einzige Möglichkeit, das Recht auf Selbstbestimmung wirklich zu erfüllen – durch eine sozialistische Föderation des Nahen Ostens.“

Ab den 1950ern entwickelte sich auch der deutsche Imperialismus zu einem der wesentlichen Unterstützer Israels. Heute ist er nicht nur der größte Wirtschafts„partner“ Israels in Europa, sondern auch einer der größten Waffenlieferanten, einschließlich für den völkermörderischen Krieg gegen den Gaza-Streifen. Es ist höchste Zeit, dass die deutsche Arbeiterklasse die Fesseln ihrer pro-imperialistischen, pro-zionistischen Führung in SPD, Linkspartei und Gewerkschaften abschüttelt und dem deutschen Imperialismus durch Klassenkampf entgegentritt.

Der folgende Artikel ist die Übersetzung von „The Arab-Jewish War in Palestine“, erschienen in The Militant, der Zeitung der damals trotzkistischen Socialist Workers Party (SWP) in den USA, 31. Mai 1948.

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Der arabisch-jüdische Krieg in Palästina

Die gegenwärtigen Intrigen der Großmächte und raffinierten Manöver in der UNO über Palästina spiegeln die tiefe Kluft zwischen dem britischen und dem US-amerikanischen Imperialismus in dieser Frage wider.

Die britische Position im Nahen Osten wird immer schwächer und spiegelt den allgemeinen Zerfall des britischen Empire und den Bankrott des britischen Kapitalismus wider. Da die Briten nicht mehr in der Lage sind, die Juden wie in der Vergangenheit zu benutzen, stellen sie sich nun hinter die feudalen Fürsten der arabischen Staaten und versuchen, die britischen imperialen Stützpunkte und den Einfluss im Nahen Osten zu stärken. Der Wall-Street-Imperialismus hingegen, der bestrebt ist, seinen Einfluss in diesem wichtigen Teil des Globus auszuweiten und die britische Vorherrschaft zu verdrängen, versucht, die Juden als Handlanger für seine imperialistischen Pläne zu nutzen.

Der gegenwärtige jüdisch-arabische Krieg, der weit davon entfernt ist, den reaktionären Zionismus zu verbessern oder ihm eine fortschrittliche Mission zu verleihen, entlarvt auf eklatante Weise, dass das Programm eines jüdischen Staates in Palästina und der jüdische Krieg zu diesem Zweck von Anfang bis Ende reaktionär und bankrott sind. Der Zionismus ist weit davon entfernt, die jüdischen Probleme zu lösen, und droht, neue Pogrome gegen die Juden zu provozieren und sie in neues Unheil zu verwickeln. Der Zionismus und der winzige jüdische Staat müssen unweigerlich zu einem Werkzeug des US-amerikanischen Imperialismus und zu einem Instrument werden, das den Räubern der Wall Street den Zugang zum Nahen Osten erleichtert. Darüber hinaus ist es gerade der Zionismus, der die Position der reaktionären arabischen Herrscher ständig festigt und es ihnen ermöglicht, den sozialen Kampf in ihren eigenen Ländern in einen kommunalen Kampf zwischen den arabischen und jüdischen Völkern umzuwandeln. So konnte beispielsweise das reaktionäre Regime von König Faruq von Ägypten, das im eigenen Land schwer angeschlagen war und sich einer wachsenden Opposition der Arbeiterklasse gegenübersah, sich konsolidieren und seine Klassengegner unterdrücken, indem es die Aufmerksamkeit auf sein militärisches Abenteuer gegen den zionistischen Staat lenkte. So hat der Zionismus, der sich seit 40 Jahren als Retter der jüdischen Massen aufspielt, diese in Wirklichkeit in eine Sackgasse geführt.

Hat das jüdische Volk nicht das Recht auf Selbstbestimmung und Staatlichkeit wie andere Völker auch? Ja – aber selbst wenn wir diese Frage von der oben erwähnten sozialen Realität abstrahieren, bleibt die Tatsache bestehen, dass sie keinen Staat auf Kosten der nationalen Rechte der arabischen Völker gründen können. Das ist keine Selbstbestimmung, sondern die Eroberung des Territoriums eines anderen Volkes.

Aus diesen Gründen ist die zionistische Ausrufung eines jüdischen Staates und ihr Krieg zur Aufrechterhaltung dieses Staates gegen den arabischen Widerstand reaktionär und kann von der sozialistischen Bewegung nicht unterstützt werden.

Auch die arabischen Machthaber führen keinen fortschrittlichen Kampf für nationale Unabhängigkeit und gegen den Imperialismus. Mit ihrem antijüdischen Krieg versuchen sie, den Kampf gegen den Imperialismus abzulenken und das Streben der arabischen Massen nach nationaler Freiheit auszunutzen, um den sozialen Widerstand gegen ihre tyrannische Herrschaft zu ersticken. Deshalb hat ihr Krieg gegen den jüdischen Staat nicht den fortschrittlichen Charakter eines nationalen Krieges gegen den Imperialismus und verdient nicht die Unterstützung der klassenbewussten Arbeiter.

Diese Tatsachen müssen den beteiligten Völkern vor Augen geführt werden. Die weitsichtigsten Elemente haben die Pflicht, ihre jeweiligen Völker von diesem Bruderkrieg abzuwenden, der nur den Imperialisten und ihren Gehilfen nützt. Die einzige Lösung für Palästina ist die Vereinigung der Kräfte der beiden Völker für die Einberufung einer verfassungsgebenden Versammlung und die Gründung eines unabhängigen palästinensischen Staates durch demokratische Entscheidung sowie die Organisation eines Kampfes zum Vertreiben aller Imperialisten.

Die sozialistischen Kräfte in den USA und in der ganzen Welt müssen gleichzeitig ihre Anstrengungen verdoppeln, damit die gesamte Arbeiterbewegung den Kampf aufnimmt, um den Opfern des Hitlerismus die Türen in die USA, nach Großbritannien und anderswo zu öffnen.

Die Bewältigung dieser Aufgaben ist sicherlich mit großen Schwierigkeiten verbunden. Aber es gibt keine Abkürzungen, um die jüdische Frage zu lösen.

Chauvinismus und Vertrauen in die Imperialisten werden nur zu größeren Katastrophen und Gemetzeln führen. Die gequälten jüdischen Massen können ihre Probleme nur lösen, indem sie ein Bündnis mit der Arbeiter- und sozialistischen Bewegung schmieden – und nicht durch Deals und Manöver mit den Imperialisten.

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